Andreas Eschbach hat ein neues Buch geschrieben mit dem Titel
Ausgebrannt. Er beschreibt darin, neben einer, man könnte sagen, Familiengeschichte, vor allem eine "harte Landung" nach Peak Oil, dem Überschreiten des Höhepunktes der Erdölförderung auf dem Planeten.
Das Buch ist sehr unterhaltsam, aber darum geht es mir nicht. Ich finde Eschbachs Schlussfolgerungen erstaunlich. Abgesehen von einer (im späteren Handlungsverlauf nicht irgendwie relativierten) Aussage über Kokainkonsum, die ich für schlicht dumm halte (auch wenn sie von der wichtigsten Hauptperson stammt, die zu dem fraglichen Zeitpunkt erkennbar benebelt ist), beschreibt er vor allem, dass die westliche Zivilisation... nun, ja nicht untergehen, aber doch radikal in eine Richtung gehen würde, die für unsere Augen nur als "rückwärts" zu bezeichnen ist: Die Transportkosten steigen in seinem Buch nach Peak Oil (welches in dem Roman natürlich auch schön dramatisch und plötzlich herkommt, weil das eben unterhaltsamer ist, und einen plausiblen Grund dafür hat Eschbach in der Tat gefunden) ins Astronomische, woraufhin viele Aspekte der modernen Technik, an die wir uns alle gewöhnt haben und die beispielsweise meinen Beruf bestimmen, unerschwinglich teuer werden.
Die für mich am seltsamsten anmutende Folge ist dabei in seinem Buch,
dass das Internet zunächst (binnen Monaten nach dem Ölpreischock) unzuverlässiger wird und dann schließlich aufhört zu existieren. Ich habe das Buch erst vor einer halben Stunde fertiggelesen, und vielleicht übersehe ich angesichts der Tageszeit was Bedeutendes, aber bisher ist mir einfach rätselhaft, wieso das geschehen sollte.
Gut, dass die Dieselgeneratoren so manches Rechenzentrums ein Problem bekämen, mag wohl sein. Aber diese sind ohnehin nur für den Not-, also Stromaus-Fall gedacht, und können natürlich sowieso nur einige Stunden überbrücken. Natürlich würden alle Kunststoffe teurer, was bis zur Einführung von brauchbarem Ersatz unweigerlich auf den Preis aller elektronischen Geräte durchschlagen würde. Natürlich wären Transportkosten sehr viel höher. Natürlich würden Nahrungsmittel und fast alles andere mehr Arbeitsleistung erfordern, würden also effektiv die Reallöhne sinken und die Preisstruktur innerhalb eines heutigen Warenkorbes sich deutlich verschieben.
Aber Eschbach beschreibt wesentlich mehr als das. In seinem Epilog, der
dreißig Jahre nach dem "großen Ölpreisschock" spielt,
gibt es kein Internet! Im allerersten Moment dachte ich nur: Was für ein Unsinn! Ich habe dann natürlich weiter darüber nachgedacht, aber, ganz ehrlich: Das ist mir unverständlich.
Gemessen am Nutzen verbrauchen Internet und mit ihm verwandte Datennetze eher wenig Energie. Ja, Rechenzentren fressen Strom, in Mengen, die für sich betrachtet erstmal beeindruckend klingen. Aber das ist es eben: Elektrizität. Und mit Stromerzeugung hat Öl fast nichts zu tun. Öl wird, wie Eschbach ja selbst beschreibt, in unserer Zivilisation hauptsächlich als Energieträger für dezentrale Energieerzeugung benutzt, mit anderen Worten: Zum Heizen, Fahren und Fliegen (ja, natürlich würde z.B. Kohle oder Erdgas auch teurer werden, aber nicht prohibitiv teurer). Das sind wichtige Aspekte unseres Wirtschaftslebens, keine Frage. Aber sie sind für den Betrieb und Ausbau des Internets nicht zwingend erforderlich, mindestens nicht bei einem Zeithorizont von einigen Monaten, wie Eschbach beschreibt - und danach beginnt sich selbst bei Eschbach der unweigerliche Anpassungsprozess zu vollziehen. Bei Eschbach ist das eine Lösung, die vor allem aus landwirtschaftlichen Abfallprodukten erzeugten Alkohol beinhaltet, der nicht destilliert, sondern auf andere (recht pfiffige) Weise gewonnen wird.
Wieso also sollten das Internet und seine kleinen Verwandten aufhören zu existieren, wenn Transportkosten allgemein auf den vielleicht zehnfachen Wert steigen? Eschbach erläutert das nicht wirklich in seinem Buch, aber ich mutmaße mal, wie er darauf kam:
- Die elektronischen Bauteile bestehen zu einem guten Teil aus Platinen, deren wichtigstes Material im Wesentlichen Plastik ist.
- Die produzierende IT-Industrie ist sehr weiträumig auf der Welt verteilt.
- Gelegentlich ist es erforderlich, dass ein Techniker auch mal vor Ort hinfährt, um eine Karte in einem Router auszuwechseln oder dergleichen.
Keiner dieser Gründe wäre meines Erachtens ausschlaggebend. Plastik kann durch andere Materialen ersetzt werden, wenn nötig. Plastik kann auch auf Umwegen aus organischen Materialien hergestellt werden, und selbst wenn der Preis zehnmal so hoch wäre, wäre das immer noch nicht unerschwinglich teuer. Eine derzeit weltweit verteilte Hardware-Produktion wäre binnen weniger Jahre, maximal binnen eines Jahrzehntes, auch wieder räumlich konzentrierbar, um so Transportkosten zu minimieren. Und was das Auswechseln von Bauteilen oder das neuen Aufstellen eines Routers oder Switches angeht, so ist das erstens nicht so kompliziert, dass man da nicht erforderlichenfalls jemanden ausbilden oder zur Not gar telefonfernsteuern könnte (der schwierigere Teil ist die Konfiguration, und die geht von jedem angeschlossenen Platz der Welt), und zweitens wird auf Dauer das Verwenden von "Waldo-Robotern", also ferngesteuerten zupackenden Händen ohnhin technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar. Selbst IP über UKW wäre schlimmstenfalls machbar, falls Untersee- und Überlandkabel wegen Spritmangel nicht mehr wartbar wären (ein Zustand, der aber selbst bei einer harten Landung nicht ewig dauern würde).
Wenn überhaupt, dass sind Datennetze ein Bein, um aus einer "Peak-Oil-Krise" herauszulaufen, und nicht unnützer Ballast.