Allwöchentlich beobachte ich sie und bin Teil von ihr: Die montäglich-freitägliche Blechlawine auf den Autobahnen. Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende, verschwenden kostbares Erdöl oder andere Energieträger, um nur zum Zwecke der Erwerbsarbeit an einen Ort (meist in einem Ballungszentrum) zu gelangen, der so weit von ihrem Heim entfernt ist, dass sie sich ein Hotelzimmer nehmen müssen und nur am Wochenende zu Hause sind. Was für einen Unsinn dieser Papalagi da wieder fabriziert, würde der
Südseehäuptling Tuiavii aus Tiavea lamentieren. Und nicht ganz zu Unrecht.
Jetzt könnte man sagen: Sollen sie doch einfach stattdessen umziehen, aber eine solche Aufforderung verkennt die Realitäten der deutschen Gesellschaft unserer Tage. Schließlich haben die Leute ja neben der Arbeit auch noch andere, gewöhnlich länger haltende soziale Bindungen - Familie zum Beispiel. Die Kernfamilie könnte noch mit umziehen, aber:
Erstens hat der Partner meist selbst auch Arbeit, die er oder sie auch nicht so ohne weiteres wechseln kann.
Zweitens ist ja keineswegs sicher, dass ein Job heutzutage noch länger als ein bis drei Jahre hält - wer aber würde so oft umziehen wollen?
Drittens gibt es andere Konstellationen, die es illusorisch erscheinen lassen, dass der Rest der Familie mit umzieht: Ich zum Beispiel bin so gut wie geschieden, will und muss meinen Sohn aber wenigstens jedes zweite Wochenende sehen - es kann wohl kaum jemand erwarten, dass meine Exfrau mit mir umzieht, nur damit ich mein Kind sehen kann.
Viertens haben viele Menschen aus verschiedenen guten Gründen Wohneigentum. Der Staat (also der demokratisch gewählte Gesetzgeber) aber wünscht nicht, dass dieses allzu oft den Eigentümer wechselt, und gestaltet die Regeln entsprechend, mit gesetzlich festgelegten Kosten, die anfallen, wenn Grund und Boden verkauft werden.
Ich bin sicher, diese Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen.
"Aber wenn es wirtschaftlich eben notwendig ist", wird mancher nun sagen. Ist es aber nicht. Es ist tatsächlich eine unglaubliche Ressourcenvergeudung, also eigentlich wirtschaftlicher Wahnsinn statt Notwendigkeit. Wir verstopfen Autobahnen und Züge doch nur, weil einerseits die Kapitaleigner bzw. -Verwalter gerne in Ballungszentren investieren möchten (obgleich es dort ganz offensichtlich gar nicht genug Arbeitskräfte gibt) und sich andererseits noch nicht in den Köpfen festgesetzt hat, was die Technik möglich machte, wenn wir sie nur ließen. Fast alle Arbeitsergebnisse gewöhnlicher Büroarbeit werden heute elektronisch übermittelt, und das geht potentiell an jeden beliebigen, halbwegs mit dem Internet verbundenen Ort.
Ja, es stimmt, körperlich anwesend zu sein hat einen einzigen Vorteil für die Zusammenarbeit: Die Kommunikation ist spontaner, das Phänomen "Flurfunk" kennt jeder. Aber wir tun auch kaum etwas dafür, diese Dinge in das Netz zu verlegen, sie dort auch zu ermöglichen. Schon ein einfacher IRC-Channel, in dem alle Mitarbeiter des selben (Projekt-)Teams ständig angemeldet sind, wirkt da beispielsweise Wunder (aber wir hoffen da ja alle auf
Wave). Telefon- und Videokonferenzen gehören heute sowieso zum Arbeitsalltag - von wo aus man an ihnen teilnimmt, sollte eigentlich keine Rolle spielen.
Aber wie hat Max Planck mal gesagt:
"Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.
Für das Wirtschaftsleben scheint im Grunde ähnliches zu gelten. Aber vielleicht werden wir da ja irgendwann klüger geworden sein als zu Plancks Zeiten?