Vor fast drei Jahren hatte ich das große Vergnügen, an einer inzwischen legendären Rollenspielrunde im fernen Köln teilzunehmen.
Damals war ich beruflich dort in der Region tätig, und diese Runde fand sich, wie sich Rollenspielrunden in fremden Städten finden, nämlich via Internet. Als Wochenpendler war ich froh um jeden Wochentagabend, den ich woanders als in meinem Hotelzimmer zubringen konnte, darum nahm ich, was auch immer sich anbot.
In diesem Fall hatte ich mit den Mitspielern außerordentliches Glück. Michael, der Spielleiter, Martin und Martina (die zur weiteren Verwirrung auch noch verheiratet sind und den Nachnamen teilen), und natürlich Daniela sind mir seit dem echte Freunde geworden. Was sicher nicht nur damit zu tun hat, das sehr kurz nach jener ersten Rollenspielsitzung mit den vieren mein Leben eine völlig unerwartete Wendung nahm - nein, sie alle sind einfach prima Leute, jeder für sich und alle zusammen. Um so bedauerlicher, dass es uns ein wenig in fast alle Winde verstreut hat, die zwischen Köln, Kassel, Essen und Leipzig wehen. Aber so ist das Leben.
Gespielt werden sollte Vampire the Masquerade - ein Rollenspielsystem, bei dem die Spieler Vampire verkörpern. Dieses Spiel hatte ich noch nie versucht, und war auch ein wenig skeptisch. Wie man sich auch als dem Rollenspielhobby fremder Mensch vielleicht denken kann, haben Vampire-Spieler einen etwas... seltsamen Ruf.
Wenn man davon absieht, dass ich eine Stunde zu spät kam (was mich dann am darauffolgenden Wochende dazu brachte, ein Navigationssystem zu erstehen) war die erste Sitzung allerdings alles andere als seltsam. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge, und ich entschied mich, einen Ventrue zu spielen, eine Art Business-Vampir. Als Schauplatz unserer Erlebnisse im Nachtleben hatte Michael die schöne Stadt Bordeaux ausgesucht (auch wenn er den Pariser Stadtplan verwendete, was wir alle erst später bemerkten... es war auch nicht so wichtig), aber ich bastelte trotzdem einen Charakter, der zunächst eine Art Idee für einen Witz über die deutsche Geschichte war: Richard von Stern.
Richard von Stern war einiges: Ehemaliger Ägyptologe und Kurator, zugewanderter Deutscher in Frankreich, Sohn jüdischer Eltern, Vampir... aber vor allem: Er trug als echter Ventrue ausschließlich
Anzüge.
Diese kategorische Erklärung von mir sorgte bei Michael, Martin und Martina für eine gewisse zusätzliche Heiterkeit in der ohnehin guten Stimmung jenes Abends. Im weiteren Spielverlauf improvisierte ich dem guten Richard noch allerlei andere Verhaltensmuster hinzu, die, wie ich meinte, zu ihm passen würden... und die fröhliche Heiterkeit nahm zu. Die eine oder andere für mich rätselhafte Anspielung fiel, aber das stand dem Spielvergnügen in keiner Weise im Weg. Auch wenn ich mich später schon mal fragte, was es denn nun mit dem von Michael erdachten "Doogie Houser Memorial Hospital" eigentlich auf sich hatte... ich spielte einfach mit, und wir hatten viele tolle Abende zusammen.
Zeitsprung.
Letzten Dezember nahte mein fünfunddreißigster Geburtstag. Aufgrund dieses und weiterer Umstände (von denen meine damals noch nur geplante, inzwischen eingetretene Selbsständigkeit nur einer ist) änderte ich meinen Kleidungsstil. Bis dato war die in diesen Zeiten allgegenwärtige Jeansuniform auch mein Erscheinungsbild gewesen, doch nun, da ich unzweifelhaft erwachsen (um nicht zu sagen: ein alter Mann

) zu werden im Begriff war, war es Zeit, sich auch so zu kleiden. Aber natürlich so, dass ich mich wohl fühlte. Und so entschied ich mich dafür, fortan Anzüge zu tragen. Und ich kann wirklich nicht sagen, dass ich diese Stiländerung bereue: Anzüge sehen immer gut aus, sind nicht besonders kompliziert zu kombinieren, und sind zugleich enorm praktisch, denn sie haben Taschen, halten warm und bringen den Träger doch nicht ins Schwitzen. Auf der anderen Seite war es nicht völlig neu für mich, denn was ist die Marineuniform, die ich jahrelang trug, anderes als ein Anzug?
Als ich nun das erste Mal die erste meiner (inzwischen endlich wieder daheim in Kassel stattfindenden) Rollenspielrunden hatte, bemerkte von allen Mitspielern der scharfsinnige Tarek hintergründig schmunzelnd, ob man mich denn von nun an Barney nennen solle. Ich verneinte und verstand nicht recht... wieso Barney? Und so klärte Tarek mich über die amerikanische Sitcom "How I Met Your Mother" auf, die ich bisher übersehen hatte.
Es dauerte eine Weile, doch schliesslich schaute ich mir ein paar Folgen davon an. Die Serie ist wirklich großartig gelungen. Und einer der Protagonisten, Barney Stinson, der von Neil Patrick Harris gespielt wird (welcher früher als Doogie Houser brillierte), wies erstaunlich viele Eigenschaften des guten alten Richard von Stern auf!
Und so dauerte es also fast drei Jahre, bis ich den einen oder anderen Witz verstand, der damals am Vampire-Spieltisch im Wohnzimmer in einer kleinen Wohnung in Köln gefallen war... aber lachen musste ich dennoch.
Und wie ich dies so schreibe,kommt mir der Gedanke: So schön es ist, nicht mehr in Hotels zu übernachten, sondern im eigenen Heim: Diese Runde vermisse ich. Ich grüße Euch, Leute!