Millionen von Spezies sterben aus, weil eine neue Art Lebensform entstanden ist. Eine, die alles um sich herum dominiert, und die die Umwelt massiv verändert – so sehr, dass viel Arten nicht überleben können. Die Welt wird drastisch verändert, und viele, viele Spezies können nicht mithalten. Müll liegt herum, der biologisch nicht abgebaut werden kann und alles unter sich erstickt.
Klingt vertraut?
Tja, das ist die Lage am Ende des Devon, vor etwa 360 Millionen Jahren (das ist eine wirklich lange Zeitspanne und doch nur 10% der Geschichte des Lebens auf der Erde). Damals war etwas neues entstanden, die so genannten "Bäume". Diese neuartigen Pflanzen bauten ihre Stämme aus einem ebenso neuartigen, stabilen Material, dem so genannten "Holz".
Weil dieses neue Material aber so stabil war, gab es keine Lebensformen, die daraus wieder andere Biomasse machen konnten, und das Holz blieb einfach liegen. Damit war der darin enthaltene Kohlenstoff auf ewig gebunden (so schien es zumindest), und der Anteil an CO2 in der Luft nahm gefährlich ab. Die Welt wurde deutlich kälter.
Mit der Zeit wurde das Holz und Staub und Steinen bedeckt und in der sich bildenden Tiefe der Erde zusammen gedrückt und zu einem Material umgewandelt, das wir heute als "Kohle" kennen. (Und wie wir sehen, war das obige "auf ewig" dann dank unserer Zivilisation irgendwann auch vorbei, zumindest für erhebliche Mengen des Materials).
Die Evolution der Bäume veränderte das Leben auf der Erde für immer. Weite Teile aller Biomasse sind heute Bäume – die Nachfahren jener ersten Holzgewächse am Ende des Devon.
Heute sind wir wieder an einem solchen Punkt. Der Mensch ist entstanden, vor gerade mal zwei Millionen Jahren, und hat sich zu einem der disruptivsten Lebewesen in der Erdgeschichte hochgearbeitet. Auch der Mensch verändert die Umwelt für immer, hinterlässt "ewige" Abfälle und verdrängt andere Lebensformen.
Worauf ich hinaus will: Das geht jetzt nicht mehr weg, genau so wenig wie die Bäume damals. Man kann nie zweimal in den selben Fluss steigen, wie Heraklit es so schön formulierte. Panta rhei.
Manche Menschen glauben, der Kollaps unserer Zivilisation stehe unmittelbar (oder mittelbar) bevor, und danach würde "die Natur zurückkehren". Ich glaube das nicht, weder den völligen Kollaps noch die Rückkehr der Natur. Wir Menschen haben das Spiel des Lebens auf der Erde für immer geändert. Wir üben einen massiven Selektionsdruck auf andere Arten aus, schlauer zu werden und/oder unseren Bedürfnissen zu entsprechen.
Ja, die Klimakrise ist eine gewaltige Herausforderung für unsere Zivilisation, und es mag eine werden, an der wir scheitern. Aber selbst dann ist die Menschheit nicht aus der Welt. Das mächtigste Raubtier, Erschaffer neuer Materialien, Erbauer von gewaltigen Städten, das bleiben wir so oder so.
Und wenn wir diesen Umstand eine oder zwei oder gar 360 Millionen Jahre in die Zukunft denken, dann werden wir unvermeidlicherweise eine Welt sehen, in der verschiedenste Abkömmlinge von uns ersten Menschen leben. Manche davon werden fast gar nicht aussehen, als würden sie von Menschen abstammen, aber sie werden die wichtigsten Eigenschaften heutiger Menschen teilen: Sprache, die Fähigkeit zum Werkzeugbau und eine über die unmittelbare Großfamilie hinausgehende Sozialstruktur, denn das sind so sehr unsere Evolutionsvorteile wie das Holz es einst für die Bäume war. Diese Welt wird eine völlig andere sein als unsere heutige, mit verschiedenen Menschenspezies, genau so, wie es heute verschiedenste Baumarten gibt. Vielleicht auch mit einer anderen atmosphärischen Zusammensetzung. Vielleicht wird die Biosphäre dadurch auch erheblich wachsen, weil auch auf Mars, Venus, in den Asteroiden oder noch weiter weg Lebensformen gedeien werden.
Aber auch der Rest der Biosphäre wird sich verändern und genauso an uns anpassen, wie es mit dem Holz geschah. Wie jeder weiß, verrottet Holz heutzutage durchaus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Pilze und manche Tiere herausfanden, wie sich Holz wieder chemisch zerlegen lässt, und zahlreiche Lebewesen lernten, die neuen Herren auszubeuten. Das wird auch diesmal geschehen. Nicht nur Plastikfresser werden sich entwickeln und verbreiten. Es wird auch früher oder später Lebewesen geben, die uns nacheifern, einfach, weil schlauere, den Menschen und seine Zivilisationen besser verstehende Tiere in einer vom Menschen beherrschten Welt einen klaren Vorteil gegenüber anderen haben. Vielleicht wird irgendwann eine Krähe oder ein Papagei eine menschliche Sprache sprechen und tatsächlich verstehen, was da gesagt wird. Vielleicht werden irgendwann viele wilden Säugetiere, Vögel und was die Evolution noch gebären mag sprechen können – in einem für den Menschen verständlichen Sinn.
Aber machen wir uns klar: Wir sind Teil der Evolution. Wir sind kein "Fremdkörper" oder "Zerstörer (außer vielleicht in einem schumpeterschen Sinn) der Biosphäre, genauso wenig wie die Bäume es waren. Wir sind erst mal nur Veränderung. Unsere Städte sind im Grunde nicht anders als ein Ameisenhügel oder ein Termitenbau.
Zu dieser Tatsache gehört allerdings auch, dass wir unser überlegenes Gehirn besser so einsetzen, dass wir uns nicht selbst einem zu hohen Selektionsdruck aussetzen. Beispielsweise aufzuhören, den einst von den ersten Bäumen gebundenen Kohlenstoff wieder freizusetzen, wäre klug, ebenso wie es der Verzicht auf allzu giftige Stoffe wie DDT war. Und auf lange Sicht wird diese Energiequelle sowieso verbraucht sein, und spätestens dann müssten wir ohnehin umstellen. Da können wir die selbst für uns äußerst massive Disruption der Klimakatastrophe auch gleich überspringen – so weit uns das noch möglich ist.
Man muss bei allem Verständnis der durch uns vorangetriebenen Evolution ja trotzdem keine übertriebene Hektik entfalten.