Das erste Manuskript von
Die Rückkehrer war deutlich zu lang, und musste daher an manchen Stellen gekürzt werden. Hier ist ein Kapitel, das ich aus der veröffentlichten Version des Buches gestrichen habe.
21.08.2064, auf dem Nordostseekanal zwischen Rendsburg und Kiel
Eine lange Prozession von Kriegsschiffen zog durch den Kanal, der Nord- und Ostsee miteinander verband: Sechs Fregatten, ein Einsatzgruppenversorger und achtzehn Sicherungsboote fuhren langsam auf Kiel zu.
„Ich kann es kaum erwarten, den Polen in den Arsch zu treten!“, brummte Oberleutnant zur See Oliver Steinsbek, der bullige Erste Wachoffizier des Sicherungsbootes Eder. „Wird Zeit, dass wir den Spieß umdrehen. Sieben Monate Krieg und keine Entscheidung, das ist doch fast schon lächerlich.“ Er stand auf der kleinen Brücke des Bootes, neben ihm saß der Kommandant Sven Trepp.
Sven seufzte. „Sie haben uns eben überrascht. Aber mit zunehmender Kriegsdauer wird unsere industrielle Überlegenheit immer gewichtiger. Es heißt, sie seien jetzt dazu übergegangen, ihre Kampfroboter mit menschlichen Infanteristen zu ergänzen. Daran sieht man, dass ihre Linie dünn wird.“
„Dünn oder nicht, diese Linie rückt langsam immer weiter nach Westen vor. Ich habe die Schnauze voll davon, nur schlechte Nachrichten zu hören. Gut, dass wir endlich etwas tun können.“
„Ja“, sagte Sven knapp. „Wenn die Landeoperation auch nur halbwegs gelingt wie geplant und wir bei Danzig eine zweite Front aufmachen können, wendet sich das Blatt.“
„Wusstest du, dass Danzig mal eine deutsche Stadt war?“, fragte Steinsbek. „Vielleicht sollten wir sie nach dem Krieg behalten.“
Sven verdrehte die Augen. „Und was machen wir mit den Leuten, die da wohnen?“
„Die müssen nach Restpolen. Dann können wir damit auch was gegen unsere Nahrungsmittelknappheit tun!“
„Dann sind wir nicht besser als die Nationalisten in Polen, die ja genau so einen Landraub mit uns machen wollen.“
„Doch, wir sind besser, weil wir gewinnen.“
„Ach, das ist doch alles Unsinn, Olli. Deutschland hält sich ans Völkerrecht, und Annexionen sind darin nicht erlaubt. Außerdem ist es ganz schön voreilig, Land verteilen zu wollen, dass wir noch gar nicht besetzt hab…“
„Kontakt!“, unterbrach ihn die KI des Bootes. „Zwanzig unidentifizierte Luftfahrzeuge, Entfernung 60 Seemeilen, Peilung Null-Neun-Acht, Flughöhe einhundert Meter, direkter Annäherungskurs mit Geschwindigkeit 600 Knoten.“
„Scheiße“, entfuhr es Steinsbek. „Wo ist die verdammte Luftwaffe?“
Sven ignorierte das und gab die notwendigen Befehle. „FlaLas hochfahren und auf diese Ziele ausrichten!“
„FlaLas wird hochgefahren. Ziele außer Reichweite. Verfolgung läuft“, meldete die KI sofort, und das Flugabwehrlasersystem schaltete sich mit hörbarem Klacken der beiden drehbaren Laserprojeektionstürme vorn und achtern auf dem Boot ein.
Auf der einige hundert Meter voraus fahrenden Fregatte Hessen kam gleichfalls Bewegung in die Flugabwehrtechnik. Auch dort hatte man die polnischen Flugzeuge bemerkt, stellte Sven erleichtert fest.
„Wie sind die so weit nach Westen vorgedrungen? Die Flugabwehr des Heeres hätte sie doch einfach wegpusten müssen?“, fragte Steinsbek.
„Schwer zu sagen. Aber wir haben sie rechtzeitig entdeckt, und die Hessen auch. Das wird ein sehr unerfreuliches Erwachen, wenn sie sehen, auf wen sie da zufliegen.“
Steinsbek heftete seinen Blick an das Radar. „Ich glaube, die wissen das.“
Sven zuckte mit den Schultern. „Mag sein. Komm, wir gehen runter in die OPZ“, sagte er und verließ die Brücke, um das Gefecht aus der Operationszentrale zu lenken. Steinsbek folgte ihm gehorsam.
Ein Deck tiefer waren sämtliche gefechtsrelevanten Anzeigen selbstständig zum Leben erwacht. Jens Demirkan, der Zweite Wachoffizier, war bereits dort. „Boot ist gefechtsbereit“, meldete er überflüssigerweise.
Sven nickte nur brummend und nahm im Kommandantensitz Platz. Steinsbek nahm den dritten und letzten Sitz.
„Ah, da sind die Luftikusse ja endlich!“, stellte Steinsbek fest, als er auf dem Gefechtsleitsystem weit südlich eine Reihe neuer Kontakte mit freundlicher Kennung bemerkte. „Werden aber nicht rechtzeitig hier sein. Oder nur rechtzeitig, um die Trümmer der Polen zu besichtigen.“
Sven grinste grimmig. „Dann sehen wir zu, dass sie auch ordentlich was zu sehen bekommen.“
Angespanntes Warten folgte, bis schließlich nach nicht ganz sechs Minuten donnernd die Hölle losbrach. Laser von Booten und Fregatten richteten sich auf die feindlichen Drohnen und nagten an deren Substanz, während diese mit Autokanonen und Bomben antworteten – keinen Luft-Boden-Flugkörpern, wie Sven erleichtert feststellte. Wahrscheinlich war das polnische Arsenal dieser Waffen nach sieben Monaten Krieg so erschöpft wie das deutsche.
Ein Krachen, eine Erschütterung des Bootes, dann waren die zwanzig Flugzeuge über den Kanal hinweggebraust. Auf einem Außenkamerabildschirm sah Sven, dass die Hessen an drei Stellen brannte, und laut Radar waren nur vier der zwanzig fliegenden Kriegsgeräte der Flugabwehr der Fregatten und Boote zum Opfer gefallen. Wie machten die Polen das? Doch um das zu ergründen, blieb keine Zeit, denn die Angreifer flogen eine enge Kurve und setzten zum nächsten Angriff an. Eines der automatischen Fluggeräte hatte sich dieses Mal die Eder als Ziel ausgesucht.
„Schieß das Biest ab!“, bellte Sven panisch, und beide Lasertürme erfassten den Feind, erzielten jedoch anscheinend keinerlei Wirkung.
Eine gewaltiges Donnern erschütterte die Operationszentrale der Eder, das Boot bäumte sich abenteuerlich auf, und die drei Offiziere darin wurden aus ihren Sitzen geworfen. Dann riss etwas an der Backbordseite des Bootes, die Außenwand brach auf, und flüssiges Feuer sprühte in die Operationszentrale. Die Flammen erfassten Sven in wenigen Sekunden, und er spürte, wie sein Fleisch links an Arm, Schulter, Hals und Kopfseite bis auf die Knochen verbrannte. Es tat merkwürdigerweise nur zu Beginn weh, aber das verwunderte ihn nur kurz – bis ihm klar wurde, dass dies an seinem soeben eintretenden Tod liegen musste.