Der alternde Captain James T. Kirk erhielt einst von seinem Freund und Arzt Dr. Leonard McCoy eine Lesebrille geschenkt, wobei dieser anmerkte, gewöhnlich verschreibe er Retinax V gegen Altersweitsichtigkeit. Kirk jedoch war gegen diese Substanz allergisch – darum die Lesebrille.
Ein kurzer Sprung zurück ins 20. (sic!) Jahrhundert: Seit meiner frühen Pubertät vor 35 Jahren war ich kurzsichtig. Das war meistens lästig, bis ich Kontaktlinsen entdeckte, die diese Sehbehinderung fast völlig neutralisierten... zumindest für praktische Zwecke.
Doch ganz wie Captain Kirk hat mich natürlich mit Mitte 40 auch die Altersweitsichtigkeit ereilt. Als Kurzsichtiger ist das nicht ganz so schlimm, weil man ja einfach die Brille abnehmen kann, um im Nahbereich gut zu sehen. Aber Kontaktlinsen hatten sich damit erledigt, also trug ich wieder Brille – denn McCoys Medikament stand nicht zur Verfügung.
Vor etwas über einem Jahr stieß ich jedoch auf etwas, das besser ist als das (leider fiktive) Retinax V:
Intraokularlinsen.
Etwa seit den 1980ern ist dieses Verfahren erprobt. Ursprünglich wurde es für Patienten entwickelt, deren natürliche Linse im Auge sich eintrübte (der berüchtigte „Graue Star“). Diesen wurde nun die natürliche Linse entfernt und stattdessen eine künstliche eingesetzt. Die aber war natürlich nicht so flexibel wie eine natürliche und wurde auf eine bestimmte Entfernung hin ‚geschliffen‘, womit diese Menschen zunächst auf Lesebrillen angewiesen waren. Retinax V hätte hier natürlich nicht geholfen.
Doch die Wissenschaft und die Technik schreiten voran. Irgendwann hatte jemand die schlaue Idee, die Linsen für solche Patienten nicht mit einer einzelnen Schärfe auszustatten, sondern in Ringen angeordnet mehrere Schärfen anzubieten. Das Gehirn sucht sich dann (mit etwas Übung) die jeweils passende Schärfe dieser so genannten „Multifokallinsen“ heraus, und schon kann der Graue-Star-Patient auch nach seiner Operation in jeder Entfernung gut bis exzellent sehen.
Nein, ich hatte keinen Grauen Star. Aber manche Augenärzte bieten inzwischen diese Operation mit Multifokallinsen auch für Menschen an, die einfach ohne Krücke sehen können wollen. Als ich davon erfuhr, war ich sofort von dem Gedanken begeistert und wandte mich an eine örtliche Augenarztpraxis.
Ich geriet jedoch an eine angestellte Ärztin, die selbst Brille trug und der Auffassung war, solche Operationen seien gerade gut genug für eine Oma, die sowieso nichts großes mehr mit ihren Augen vor hat. Sie sagte aber auch, es sei ein neues Produkt erschienen, das in den nächsten Monaten in dieser Praxis erprobt werde, und sie empfahl mir, dann einfach noch einmal wieder zu kommen und erneut zu fragen.
Etwas enttäuscht wartete ich also nun neun Monate, geriet diesmal an einen anderen, aufgeschlosseneren Augenarzt in der gleiche Praxis, und dieser bestätigte, dass das Verfahren für viele Menschen sehr gut funktioniere, und wenn ich wirklich daran interessiert sei, solle ich einen Termin bei demjenigen Arzt dieser Praxis machen, der solche Operationen durchführte. Der aber praktizierte in Eschwege, etwa 40 Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Wieder einen Termin ausmachen, wieder warten, aber im Dezember war es dann so weit: Ein Gespräch mit dem betreffenden Arzt konnte stattfinden.
In der Zwischenzeit war ich der Empfehlung des zweiten Arztes gefolgt, Multifokal-Kontaktlinsen auszuprobieren. Diese funktionierten nach dem gleichen Prinzip wie die Intraokularlinsen, nur eben als auf dem Auge schwimmende Variante. Auch davon hatte ich zuvor nur in Nebensätzen gehört, immer verbunden mit der Aussage, dass sei aber nicht so gut wie eine Gleitsichtbrille.
Und das stimmt auch: Multifokal-Kontaktlinsen sind zwar in der Lage, etwa 70% Sehkraft auf den meisten Entfernungen zu verleihen, aber mehr eben nicht. Dennoch, das Funktionsprinzip überzeugte mich bei diesem Test.
Beim Dezembertermin in Eschwege hatte ich nun endlich einen Augenarzt vor mir, der voll und ganz hinter dieser Technik stand und die Operationen auch selbst durchführte. Ausmessen des Auges, Beratung und Auswahl der Linse (es gibt da verschiedene Typen) liefen schnell ab, jedoch konnten die beiden Operationen (eine pro Auge) aus Feiertagsgründen erst im Januar stattfinden.
Die erste Operation war letzte Woche Montag, die zweite gestern. Beide Operationen dauerten etwa 10 Minuten und konnten entweder unter Vollnarkose oder mit lokaler Betäubung stattfinden. Ich entschied mich natürlich für letzteres. So eine Augenoperation ist eine interessante Erfahrung und nur mäßig unangenehm – der Operateur muss natürlich sehen, was er tut, und darum sehr hell ins künstlich geweitete Auge hineinleuchten. Aber es war gut auszuhalten. Etwas lästig war natürlich, dass ich mich fahren lassen musste, aber zum Glück habe ich die schönste aller Frauen geheiratet, und sie stellte sich als Chauffeurin und Begleitperson zur Verfügung.
Heute wurde mir die Augenklappe des zweiten Auges abgenommen und meine neue, brillenfreie Sehkraft getestet. Sie beträgt derzeit 100%. Ich soll die Augen noch etwas schonen, und natürlich ist das zweite Auge im Moment noch etwas gereizt. Vier Wochen lang werde ich Augentropfen zur Prophylaxe gegen Entzündungen der beiden Operationswunden nehmen müssen, und die erste Woche jedes Auges deckt man es nachts mit einer Plastikklappe ab, damit man nicht im Schlaf daran reibt. Nachuntersuchungen erfolgen natürlich auch noch. Aber wenn all das erledigt ist, bin ich schlicht und einfach normalsichtig.
Oder fast. Bedingt durch das Funktionsprinzip der Linsen sehe ich ein klein wenig schlechter bei schlechter Beleuchtung. Dieses Phänomen kannte ich schon von den Multifokalkontaktlinsen, dort war es jedoch weit ausgeprägter. Weiter entfernte Lichtquellen wie Ampeln, Autoscheinwerfer und Straßenlaternen erzeugen außerdem, bedingt durch die Ringe in meinen Linsen, kleine „Heiligenscheine“ in meiner Sicht, was zunächst etwas gewöhnungsbedürftig ist und bei den Kontaktlinsen weniger ausgeprägt war. Aber dennoch sehe ich alles scharf.
Retinax V werde ich also nie brauchen, und wenn sich meine Augen nicht noch einmal stark verändern, auch keine Brille. Und wenn ich es schaffen sollte, über siebzig Jahre alt zu werden, werde ich dennoch nicht, anders als die meisten Menschen dieses Alters, Grauen Star erleiden, denn ich habe keine natürlich Linse mehr, die sich trüben könnte. Langzeitfolgen dieser seit den 1980ern angewandten Behandlung sind bisher niemandem aufgefallen. Es ist schlicht und einfach eine enorme Verbesserung meiner Sehkraft und damit meiner Lebensqualität.
Nun war das natürlich nicht wirklich medizinisch indiziert, jedenfalls nicht so, dass es die Krankenkasse übernimmt. Das bedeutet, ich muss die Rechnung dafür selbst bezahlen – der Kostenvoranschlag belief sich auf etwa 4.000 Euro, Rechnung kommt noch. Aber ganz ehrlich: Das lohnt sich, denn Brillen sind lästig.
Ich kann nur jedem über 45 empfehlen, eine solche Operation in Erwägung zu ziehen. Noch können wir nicht alle Altersgebrechen heilen. Aber eines immerhin schon.