Montag, 21. März 2016
Heute erreichte mich erneut eine Antwort von Konstantin von Notz:
Sehr geehrter Herr Heinscher,
haben Sie Dank für Ihre erneute Mail.
Ich glaube, durchaus verstanden zu haben, was Ihr Anliegen ist. Bereits in meiner ersten Mail hatte ich ja geschrieben, dass ich Ihre Ansicht teile, dass die als epochale gesellschaftlichen Umbrüche zu charakterisierenden, disruptiven Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch Internet und Digitalisierung gesetzgeberisch intensiv begleitet werden müssen. Das tun wir als grüne Bundestagsfraktion. Ich teile daher explizit Ihre Ansicht, dass es wichtig ist, sich jetzt mit diesen Fragen zu beschäftigen, um konsensfähige Lösungen zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Konstantin v. Notz
Ich habe darauf wie folgt geantwortet:
Hallo Herr von Notz,
vielen Dank für Ihre Antwort. Was ist denn die Position Ihrer Partei und Fraktion hinsichtlich möglicher Lösungen des Problems, bzw. was ist der Stand Ihrer internen Diskussion, falls diese noch nicht abgeschlossen sein sollte?
Mit freundlichem Gruß,
Ingo Heinscher
Mittwoch, 16. März 2016
Heute habe ich die zweite (und wie ich vermute auch letzte) Antwort zu meiner Anfrage vom vergangenen Sonntag erhalten:
(Absender ist hier ehrlicherweise "Dirk Schröter - Mitarbeiter MsB Halina Wawzyniak".)
Sehr geehrter Herr Heinscher,
nicht erst seit AlphaGo ist klar, dass die Künstliche Intelligenz große Fortschritte macht. Wir stehen, wie sie richtig bemerken, vor weitreichenden Veränderungen, auf die wir besser heute als morgen Antworten haben. Für DIE LINKE ist seit je her von großer Bedeutung, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Lebenswelt der Menschen hat. Wie gehen wir damit um, wenn Künstliche Intelligenz Aufgaben übernimmt, die derzeit von Menschen ausgeführt werden? Wie gehen wir damit um, wenn immer weniger Arbeit und damit Jobs da sind? In meiner Partei werden verschiedenste Lösungsansätze dafür diskutiert. Dazu gehören ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ein Mindesthonorar für die zunehmend in prekären Verhältnissen arbeitenden Selbstständigen. Hier sind wir aber noch mitten in der Debatte und haben noch kein Ergebnis.
Dazu gehört auch die Frage der Algorithmen, die schon jetzt eine große Auswirkung auf die Lebenswelt der Menschen haben. Damit beschäftigt sich DIE LINKE seit geraumer Zeit. Mir ist es dabei wichtig, Algorithmen nicht per se zu verteufeln, sondern eher ihr Anwendungsgebiet so zu beschränken, dass sie zum Nutzen aller Menschen verwendet werden. Wenn Gesundheitsdaten beispielsweise dafür genutzt werden, um das Leben von Menschen zu retten oder Krankheiten zu besiegen, ist das ein großer Vorteil für uns alle. Wenn sie aber dafür genutzt werden, Versicherungstarife an die gesundheitliche Verfassung anzupassen, dann hat der Einzelne dadurch mehr Nachteile als Vorteile.
Für mich als rechtspolitische Sprecherin sind auch die rechtlichen Fragen der Künstlichen Intelligenz spannend. Welche Rechte hat eine KI? Was darf sie und was nicht? Und wer haftet eigentlich für Unfälle, die eine KI verursacht? Ein erstes Beispiel für diese Frage sind die selbstfahrenden Autos. Erst kürzlich baute ein Google-Fahrzeug selbstverschuldet einen Unfall, weil die KI eine Situation falsch einschätzte. Wer haftet dafür? Der Fahrzeughalter? Die Programmierer der Künstlichen Intelligenz? Das sind Fragen, denen wir uns noch nicht gewidmet haben, denen wir uns aber widmen werden.
Lösungsansätze kann ich Ihnen zur Zeit noch keine bieten. Aber immerhin einen Überblick über eine durchaus sehr spannende Diskussion, die wir als LINKE gerne auch mit Ihnen zusammen führen.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak
Auch wenn der Autor oder die Autorin die Bedeutung des Begriffes "Algorithmus" offenbar nicht erschöpfend kennt, so macht mir diese Antwort doch erheblich mehr Mut als die vorherige, dass sich in politischen Kreisen mit den eigentlichen Problemen befasst wird.
Ich antworte hierzu wie folgt:
Sehr geehrte Frau Wawzyniak,
sehr geehrter Herr Schröter,
Vielen Dank für Ihre Antwort. In der Tat beruhigt es mich zu sehen, dass zumindest in einer Fraktion ein Teil der Tragweite dieses Problems erkannt und diskutiert wird. Warum nur ein Teil? Weil die Frage nach der Wirtschaftsordnung ja nur das erste Problem ist.
Auch das Militär wird durch die Existenz künstlicher Intelligenz grundlegend transformiert. Wer historische Prozesse betrachtet, weiß, dass aus dem Zusammenspiel realer Machtverhältnisse in Wirtschaft und Militär politische Ordnungen entstehen. Wenn theoretisch ein Einzelner eine ganze Armee und mehrere Fabriken mit absoluter Macht und Kontrolle befehligen kann, was impliziert das dann für die Stabilität der Demokratie?
Das nur als Denkanstoß.
Mit freundlichem Gruß,
Ingo Heinscher
Ich vermute, dass ich keine weiteren Antworten von SPD und CDU erhalten werde, aber falls doch, wird es hier im Blog dokumentiert werden.
Montag, 14. März 2016
Auf meine gestern beschriebene Mail hat der erste Abgeordnete geantwortet, nämlich der der Grünen-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Heinscher,
haben Sie besten Dank für Ihre Mail vom gestrigen 13. März 2016. Gerne beantworte ich Ihre Frage, auch wenn Sie, das entnehme ich zumindest der Überschrift Ihres entsprechenden Blogpost, der Meinung sind, dass Politik auf die von Ihnen skizzierten Fragen nicht im Stande ist, Antworten zu liefern, wir als Abgeordnete nur "Verwalter" seien. Das sehe ich grundsätzlich anders und lege Ihnen gerne nahe, warum das so ist. Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit digitalpolitischen Themen, auch mit der Auswirkungen der stetigen Weiterentwicklung von Themen wie der künstlichen Intelligenz und möglichen Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben. In der vergangenen Wahlperiode, das werden Sie wahrscheinlich wissen, hat sich die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" bereits intensiv mit den durch Internet und Digitalisierung hervorgerufenen Veränderungsprozessen auseinandergesetzt, u.a. mit dem Thema "Künstliche Intelligenz".
So verweist u.a. der Zwischenbericht der Projektgruppe "Bildung und Forschung" auf die Notwendigkeit, derartige technologische Entwicklung auch gesetzgeberisch intensiv zu begleiten. In diesem Zusammenhang wird unter anderem auf Technologien verwiesen, die unter der Bezeichnung Ambient Assisted Living entwickelt werden, also als Assistenzsysteme im Dienste älterer Menschen. Hintergrund ist der demographische Wandel und die daraus resultierende Herausforderung für die personal- und kostenintensive Gesundheitsversorgung
und Pflege. AAS-Technologien sollen mittels intelligent vernetzter Sensorsysteme Lösungen bieten, die älteren Menschen einen längeres Verbleiben in ihrer häuslichen Umgebung und damit größere Selbstbestimmung ermöglichen. Zum anderen sollen automatisierte Routineuntersuchungen den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten zu Hause überwachen (beispielsweise anhand von Blutdruck- oder Blutzuckermessung) und auf diese Weise den regelmäßigen Gang zum Arzt ersetzen.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, welche Potenziale diese technischen Lösungen, gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung bieten. Gleichzeitig, und da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, weisen wir seit langem darauf hin, dass sie in mehrfacher Hinsicht ambivalent sein können. Um bei unserem konkreten Beispiel zu bleiben: Technische Assistenzsysteme werden zwar künftig möglicherweise helfen, im Alter beispielsweise eine längere Selbstständigkeit zu erhalten. Soziale Probleme wie Isolation und Einsamkeit im Alltag können jedoch bestimmt nicht mit technischen Hilfsmitteln beantwortet werden. Auch stellen sich andere, tiefgehende Fragen: Wer haftet beispielsweise bei Fehlern, z.B. bei der Verabreichung von Medikamenten? Oder: Wie stellen wir sicher, dass der Datenschutz gewahrt bleibt? Welche ethischen Maßstäbe sollen gelten?
Ob Big Data, Smart-Metering oder eben die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz. Auf die Notwendigkeit einer intensiven Begleitung dieser (technischen) Entwicklungen durch den Gesetzgeber machen wir, sowohl als Bundestag als auch als Grüne Bundestagsfraktion, seit langem aufmerksam. Zweifellos bieten all diese Technologien große Chancen. Um sie tatsächlich nutzen zu können, müssen wir jedoch grundlegende gesellschaftliche und rechtliche Übereinkünfte auf einen etwaigen Anpassungsbedarf hin überprüfen und dringend notwendige Nachjustierungen vornehmen. Leider verpasst es die Bundesregierung bis heute, eine dringend benötigte Kompetenzbündelung vorzunehmen und die so drängenden Themen angemessen von politischer Seite zu begleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Konstantin v. Notz
Ich antworte jetzt mit folgendem:
Sehr geehrter Herr von Notz,
vielen Dank für Ihre rasche Antwort. Ich fürchte allerdings, dass ich das, was ich hier als die konkrete Problemstellung sehe, nicht genug verdeutlicht habe.
Beinahe jedwede Aufgabe wird von dieser Art Maschine übernommen werden können, und das in sehr naher Zukunft. Ich will gern davon ausgehen, dass wir uns keinerlei Sorgen um Science-Fiction-Szenarien nach Art von "Terminator" oder dergleichen machen müssen. Ich befürchte hier ausdrücklich nicht, dass gute Ingenieurskunst etwaige Probleme mit der Sicherheit dieser Technik nicht in den Griff bekommt, lange bevor solche Anwendungen die Labore verlassen.
Das epochale, in seiner Auswirkung gar nicht übertreibbare Problem ist meines (und bei weitem nicht nur meines) Erachtens ein ganz anderes. Lassen Sie es mich an einem historischen Beispiel verdeutlichen.
Um 1910 herum gab es in Deutschland etwa sechs Millionen Pferde. Jedes Einzelne davon hatte Arbeit in einer von vielen Branchen der Wirtschaft. Man brauchte sie, weil sie etwas konnten, das anders nicht zu haben war: Ihre Muskelkraft zur Verfügung stellen.
Heute gibt es in unserem Land nur noch etwa eine Million Pferde, die fast ausnahmslos im Unterhaltungsbereich tätig sind. Die anderen fünf Millionen Planstellen für Pferde sind gestrichen worden, weil sie in einer maschinisierten Wirtschaft komplett überflüssig sind.
Und wir haben jetzt hier eine Technik, die das, was der Verbrennungsmotor mit der Muskelkraft der Pferde macht, mit der Denkleistung menschlicher Arbeitnehmer macht.
Dabei ist das nur die erste, unmittelbarste Folge. Auch das Militär wird durch die Existenz künstlicher Intelligenz grundlegend transformiert. Wer historische Prozesse betrachtet, weiß, dass aus dem Zusammenspiel realer Machtverhältnisse in Wirtschaft und Militär politische Ordnungen entstehen. Wenn theoretisch ein Einzelner eine ganze Armee und mehrere Fabriken mit absoluter Macht und Kontrolle befehligen kann, was impliziert das dann für die Stabilität der Demokratie?
Es ist meines Erachtens wichtig, sich jetzt mit diesen Fragen zu befassen. Nicht, wenn es schon zu spät ist. Nur wenn wir rechtzeitig darüber diskutieren, wie wir diese Transformation in unserem Sinne kanalisieren, können wir hoffen, rechtzeitig eine konsensfähige Lösung zu finden.
Mit freundlichem Gruß,
Ingo Heinscher
Ich halte Euch über das Weitere auf dem Laufenden.
Sonntag, 13. März 2016
Ich habe soeben an die Bundestagsabgeordneten
Thomas Jarzombek
Lars Klingbeil
Konstantin von Notz
Halina Wawzyniak
und an das Bundeswirtschaftsministerium folgendes Schreiben gesandt:
Betreff: Position [der Bundesregierung | Ihrer Partei und Fraktion] zum Thema Künstliche Intelligenz in der Wirtschaft
Sehr geehrte Damen und Herren,
In dieser Woche hat eine künstliche Intelligenz erstmals den menschlichen Weltmeister im asiatischen Spiel Go besiegt. Go ist etwa zehn mal so komplex wie Schach und bedarf laut Experten einer enormen Intuition, um es erfolgreich zu spielen. Die Technologie, die diesen Sieg möglich machte, ist da dabei nicht Go-spezifisch: Vielmehr hat die Google-Tochter Deep Mind einen Algorithmus verwendet, der sich alles wesentliche selbst beigebracht hat. Dem Prinzip nach ist diese Technik auf jede Art Aufgabe anwendbar.
Auch andere KI-Forscher und Ingenieure machen in den letzten Jahren rasende Fortschritte. Sei es IPsoft mit "Amelia", IBM mit "Watson" oder eben Google mit AlphaGo, es ist absehbar, dass KI aus den Kinderschuhen heraus ist. Jeder, der sich eine Stunde Zeit nimmt, sich damit zu befassen, sieht das. Zweifellos auch Sie.
Das aber hat unmittelbare Implikationen für unsere Wirtschaftsordnung, ja, sogar für unser politisches System. Hier werden uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren massive Veränderungen überrollen, die wir als Gesellschaft dringend abfedern und gestalten müssen.
An die Abgeordneten folgte der Satz:
Wird dieser Themenkomplex in Ihrer Partei und Fraktion diskutiert? Wenn ja, welche Lösungsansätze verfolgen Sie? Wenn nein, warum nicht?
Und an das Ministerium:
Welche Lösungsansätze verfolgt die Bundesregierung und insbesondere Ihr Ministerium hierzu?
Sollte ich, wie ich hoffe, hierzu Antworten erhalten, werde ich sie hier dokumentieren.
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