Die Ukraine kämpft derzeit um ihre Eigenstaatlichkeit, ihre Freiheit, um das Leben ihrer Bürger. Und sie schlägt sich ganz gut gegen eine russische Armee, die offenkundig nicht zu den fähigsten der Welt gehört.
Aber wie kann dieser Krieg ausgehen? Und wie geht es danach weiter? Was plant der Bundeskanzler meines Landes in diesem Zusammenhang?
Der Krieg selbst kann im Grunde drei mögliche Entwicklungen nehmen.
1. Die Ukraine kann verlieren, wie von Putin vorgesehen. Unwahrscheinlich, aber möglich.
2. Die Ukraine kann die Russen am gegenwärtigen Frontverlauf aufhalten und einen jahrelangen Stellungskrieg führen.
Und:
3. Die Ukraine kann gewinnen und die russische Invasionsstreitmacht aus dem Land jagen, womöglich sogar Krim, Donetsk und Luhansk zurück erobern.
Aber was sind die Implikationen jedes dieser drei möglichen Resultate?
Im Fall 1 wird Eroberungspolitik wieder Einzug in das Denken von Staatschefs halten. Führende Politiker in Polen und der Türkei äußern sich ja gelegentlich bereits in diesem Sinne. Die Folge sind mehr Krieg, mehr Tod, mehr Leid über die kommenden Jahrzehnte. Außerdem sehe ich eine reale Gefahr, dass ein von einem Sieg ermutigter Putin sich letzten Endes doch den Angriff auf die NATO traut, mit einer sehr realen Atomkriegsgefahr als Folge.
Im Fall 2 wird Russland irgendwann frustriert zu immer drastischeren Mitteln greifen (vgl. Clausewitz und sein "Drang zum Äußersten"), was natürlich ab einem gewissen Punkt auch Atomwaffen beinhaltet, in diesem Fall allerdings zunächst nur gegen die Ukraine. Immer in dem Bestreben, letztlich doch noch Fall 1 herbei zu führen. Das kann direkt zur Eskalation führen, weil Atomwaffeneinsatz die NATO zum Eingreifen bewegt, oder es kann im späteren Verlauf des Konflikts mit Russland einfach die Hemmschwelle senken.
Im Fall 3 wird Russland als Verlierer entweder an nun ermutigten Separatisten im ganzen Land zugrunde gehen oder sich sehr energisch mit einem noch stärkeren Militär ausstatten, um es in der Ukraine irgendwann erneut zu versuchen. Zerfällt Russland, werden dessen Atomwaffen uns allen Schwierigkeiten bereiten, denn wer weiß, in wessen Hände sie dann geraten. Stärkt Russland sein Militär noch weiter und wirft jeden Widerstand im Lande nieder, führen wir, also die NATO, im besten Fall einen jahrzehntelangen Kalten Krieg. Im schlechtesten einen heißen. Einen sehr heißen.
Gruselig ist, dass ich fast keine Möglichkeit sehen kann, wie wir nicht am Ende bei Atomwaffeneinsatz herauskommen. Die geringste Eskalationswahrscheinlichkeit gibt es noch bei einem Zerfall der russischen Föderation, und selbst da sieht es nicht rosig aus.
Ich habe mal gesagt, dass ich strategische Atomwaffen für Geldverschwendung halte, weil kein Nicht-Irrer sie je einsetzen würde, und einen Irren dürfe man ja ohnehin nicht in ihre Nähe lassen. Das Problem ist nur: Wie Putins Angriffskrieg bewiesen hat, insbesondere in Orten wie Butcha, IST bereits ein Irrer in der Nähe der russischen Atomwaffen. Mit der vollen Kontrolle über diese, um genau zu sein. Seine Generale sind möglicherweise nicht irre und würden den Befehl zur Vernichtung von Berlin, Paris, London und Washington nicht weitergeben. Oder vielleicht sind die übrigen Glieder der Befehlskette vernünftig und weigern sich, solch einen Befehl auszuführen. Aber nach den Bildern von Butcha bin ich da nicht mehr so zuversichtlich. Wer so etwas befiehtl und ausführt, der startet auch Atomraketen. Wer die Hälfte seiner an der Operation beteiligten Generale in einem solchen Angriffskrieg opfert, hat offensichtlich kein Problem mit kollektivem Selbstmord.
Russland MUSS also verlieren, und zwar katastrophal. Und dabei so geschwächt werden, dass Separatisten überall in der Föderation eine Aussicht auf Erfolg haben. Wie erreichen wir als Westen das? Mit Waffenlieferungen, klar.
Nun ist aber der deutsche Bundeskanzler offenbar anderer Auffassung. Seine ganze Handlungsweise drängt den Schluss auf, dass er glaubt, die Ukraine verliere sowieso, und kaufe uns nur etwas Zeit. Die wir aber nicht für eine angemessene Aufrüstung nutzen sollen, sondern nur für eine Schließung der schlimmsten Lücken in der Ausstattung der Bundeswehr, wohl weil für mehr in seiner eigenen Partei die Mehrheiten fehlen. Vor diesem Hintergrund bremst er Waffenlieferungen von allem Gerät, das wir möglicherweise selbst brauchen könnten – wir oder die NATO. Darum wäre ein "Ringtausch" für ihn in Ordnung, direkte Lieferung von Ausrüstung an die Ukraine aber nicht.
Die Bundeswehr ist zahlenmäßig schwächer als die ukrainischen Streitkräfte bei Kriegsbeginn, und hat zudem eine relativ starke Marine, was wiederum auf Kosten der Zahlen bei Heer und Luftwaffe geht. Allein könnte Deutschland nicht mal sich selbst verteidigen, und noch weniger als Schutzmacht für andere agieren. Mit anderen Worten, wenn der neue Kalte Krieg intensiver wird, ist die Wahrnehmung einer Rückgratrolle von den völlig atrophierten Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten, weder als Waffenlieferung noch sonst irgendwie. Nur die deutsche Industrie könnte liefern, aber auch deren Kapazitäten werden durch Scholz anscheinend bewusst klein gehalten.
Kein Problem, die NATO wird ja maßgeblich von den USA getragen. Nur… wie stabil die sind, ist gerade höchst diskutabel. Nicht nur ein Wahlsieg Trumps oder eines anderen US-Protofaschisten 2024 könnte sie vom geopolitischen Spielbrett in Europa nehmen, auch ein US-Bürgerkrieg wird von Beobachtern inzwischen für möglich gehalten.
Wie ich es auch drehe und wende, Scholzens Politik mit ihrer Waffenlieferungsbremserei ergibt keinerlei strategischen Sinn. Der Mann denkt nicht nach, er handelt von Emotionen getrieben, von Angst vor einem Atomkrieg insbesondere. Der aber steht uns sicher bevor, wenn er sich weiter von dieser Angst leiten lässt.
Wir brauchen einen anderen Kanzler, einen, der vorausdenkt und dann entschieden handelt. So sieht er sich offenbar selbst, aber für mich ist offensichtlich, dass er nicht versteht, was er da tut.
Die einzig andere Erklärung für sein Handeln wäre, dass er WILL, dass Putin Eurasien beherrscht. Und das will ich nicht glauben.
So heißt es zumindest in einschlägigen Kreisen: Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.
Der russische Angriff auf die Ukraine geht gerade in eine neue Phase, und immer noch gibt es Leute, die sich trotz dieses Bonmots zu Voraussagen hinreißen lassen. "Ohne Lieferung von schweren Waffen sind die Ukrainer verloren" oder "die Russen haben gar nicht genug Kräfte versammelt, um Erfolg zu haben". Oder alles dazwischen.
Die Wahrheit ist, niemand kann sagen, wie dieser Krieg ausgehen wird. Es gibt einfach zu viele Variablen, und selbst wenn jemand mal richtig liegt, ist das eher Zufall als ein Zeichen von Genialität.
Es kann alles passieren, von einer russischen Niederlage zu einem Kollaps der Ukrainer, oder auch, und hier wird es besonders gruselig, einer Eskalation des Konflikts unter deutscher Beteiligung. Nichts kann ausgeschlossen werden, und uns bleibt nur, abzuwarten und uns auf das schlimmste vorzubereiten.
Vor diesem Hintergrund lasse ich mich zur nordhessischen Heimatschutzkompanie beordern. Wohl wissend, dass der positive Beitrag, den ich ggf. leisten könnte, vermutlich vernachlässigbar wäre. Aber in dem ich mit Reservisten übe und meine (selbst für einen Marine-Reserveoffizier zweifellos geringen) infanteristischen Fähigkeiten aufpoliere, besteht zumindest eine Chance, dass ich gegebenfalls nicht nur im Weg rumstehe.
Immer in der Hoffnung, dass ich sie nicht brauchen werde. Oder dass wenn ich sie brauchen werde ich mit ein bisschen aufgefrischtem Wissen besser dran bin als ohne.
Wie gesagt: Prognosen sind schwierig.