An diesem Artikel im Herdentrieb finde ich vor allem interessant, was die dort zitierte Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) von der Zunft der Ökonomen (und damit auch sich selbst) sagt:
Angesichts der enormen und andauernden strukturellen Änderungen lässt sich … durchaus die Meinung vertreten, dass wir die wirtschaftlichen Abläufe heute womöglich noch weniger verstehen als in der Vergangenheit.
Nun wird das vermutlich niemanden
wirklich überraschen, der sich für das Fach auch nur ein wenig interessiert. Was ich aber tragisch finde, ist, was im Herdentrieb dazu, ganz nonchalant und ohne weitere Reflektion, ja, geradezu lobend, gesagt wird:
[...] aber die Bank scheut trotzdem nicht vor pointierten Analysen und klaren Empfehlungen zurück
Das ist doch absurd. Mit anderen Worten: "Wir wissen eigentlich gar nichts, aber wir tun mal so, als ob, vielleicht kommt ja wenigstens diesmal was brauchbares raus."
Nur, dass die Gesetze des Marktes nicht mehr gelten, das sollte man besser nicht annehmen.
Das erscheint plausibel - nur: Wie stringent sollen sie denn gelten, die Gesetze des Marktes? Wie will man wissen, ob in dem gerade betrachteten Gegenstand ein Ausnahmetatbestand von Grundsätzen wie "geringerer Preis bedeutet größeren Absatz" vorliegt?
Unter dem Strich bleibt doch nur ein Schluss übrig: Wir betreiben Wirtschaft, um unter Bedingungen der Knappheit unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei streben wir alle nach einigen gleichen und vielen unterschiedlichen Dingen, und jeder Einzelne lernt ständig mit seiner individuellen Geschwindigkeit dazu und nutzt die neuen Erkenntnisse in seinem Sinne. Wenn man Wirtschaftspolitik betreibt, soll man die bestehenden Verhältnisse so verbessern, dass kaum jemand spürbar weniger und viele spürbar mehr konsumieren können. Dafür ist es normalerweise hilfreich, Investitionen zu ermutigen, aber auch, soziale Sicherheit zu gewährleisten.
So allgemein formuliert, wird dem kaum jemand widersprechen können. Und an dem Punkt beginnen letztendlich all die ideologischen Grabenkämpfe, die aber alle auf das Eine hinauslaufen: "Wer darf wie viel konsumieren."
Oder weniger höflich formuliert: Es geht um die Verteilung von Macht (nämlich der Macht, Bedürfnisse zu befriedigen). Für die Verteilung von Macht aber haben wir in unserer Jahrtausende alten Geschichte als schreibende und denkende Menschheit letztendlich nur eine Lösung gefunden: Demokratische Kontrolle. Wer sich der Illusion hingibt, es gebe wissenschaftlich-technokratisch bestimmbare Gesetze, denen sich alle Wirtschaftspolitik unterzuordnen habe, der irrt.