Donnerstag, 7. Juni 2007
Freiheit ohne Gleichheit ist Tyrannei. Geschrieben von Ingo
in Politik und Weltgeschehen um
20:31
Kommentare (0) Trackbacks (0) Freiheit ohne Gleichheit ist Tyrannei.
In einem Versuch, die Ideologie zu verteidigen, schreibt "Wirtschaftliche Freiheit" (ein immerhin ehrlicher Titel) etwas über die angeblichen fünf Irrtümer der Globalisierungskritiker.
Der erste Irrtum soll sein:
Äh, neh. Das Internet und IT allgemein ist zwar wunderbar geeignet, um neue Informationen und Gedanken zu übermitteln und sich auf intellektueller Ebene mehr oder weniger geistreich auszutauschen - aber noch kein einziges Stück physischer Ware wurde je dadurch transportiert. Die Behauptung, der stark gestiegene internationale Waren- und Kapitalverkehr sei eine Folge der Computertechnik, zeugt von einem Missverständnis: Dass nämlich das bloße Verschieben von Zahlen auf Computern (beispielsweise an internationalen Börsen) irgendwas bewirke. Dem ist aber nicht so: So lange nicht Kapital frei fliesst, also Banken die Kontobewegungen untereinander anerkennen und erwarten können, nötigenfalls Geld aus Deutschland auch wieder gegen Waren eintauschen zu können, so lange ist die Zahlenschieberei nur eine rechnerische Übung ohne praktische Relevanz. Und die Voraussetzung für die Berechtigung einer solcher Erwartung ist internationaler Handel, der zu Bedingungen stattfindet, die die Sache nicht unprofitabel machen. Und schon sind wir bei den politischen Voraussetzungen der Globalisierung. Dass diese nichts mit Technik zu tun hat, kann man natürlich auch daran erkennen, dass vor dem ersten Weltkrieg die Globalisierung schon einmal ähnliche Ausmaße hatte, gemessen am Gesamtvolumen der Weltwirtschaft (übrigens war das damals ein sehr häufig genannter Grund für eine angebliche Implausibilität eines prognostizierten Krieges zwischen Großmächten... ja, im Ernst).
Das stimmt nur global auf den Durchschnitt bezogen betrachtet, und nur bei Verwendung einer absoluten Armutsdefinition. Bezogen auf die Wohlstandsverteilung auf der Welt, und auf die Situationen vieler einzelner Gesellschaften, ist es schlicht falsch, weil der Abstand zwischen Arm und Reich eben durchaus zunimmt. Und es offenbart ein Missverständnis über die Position der Globalisierungskritiker. Natürlich ist es erst mal ein Schritt in die richtige Richtung, dass die vielen Artgenossen in Indien und China wohlhabender werden; dagegen hat auch kein Globalisierungskritiker was. Aber die Lehren, die bei diesem Prozess in den "alten Industrienationen" gezogen wurden, auch für die neuen anwenden zu wollen, um zum Beispiel die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht zu einer Wiederholung aufspielen zu lassen (worum ich mit allem Nachdruck bitten möchte!), ist ganz gewiss eine vernünftige Forderung. Und natürlich ist es völlig legitim zu verlangen, dass dieses wünschenswerte Aufholen in einer Weise organisiert wird, die allen Beteiligten erlaubt, sich in menschenmöglicher Zeit an die neuen Verhältnisse anzupassen.
Nun ist die Weltbank nicht gerade für Objektivität in dieser Frage bekannt. Beobachtet werden kann ja auch vielmehr, dass Länder, die sich an die Empfehlungen des IMF und der Weltbank hielten, daraufhin in schlimme Krisen stürzten (z.B. Brasilien, Mexiko, in den Neunzigern die "Tigerländer"), und Länder, die diese Empfehlungen nicht befolgten (deren Liste ist zugegebenermaßen kürzer, weil die Kredite vom IMF dann eben nicht gewährt werden), keine derartigen Probleme zu verzeichnen hatten. Aber auch hier gilt: Nicht die Globalisierung an sich ist das Problem, sondern die Art, wie sie vorangetrieben wird. Allzu naives Glauben an den Markt, der schon alles richten werde, und unkontrollierter, unregulierter Freihandel von jetzt auf gleich als Allheilmittel sind es, wogegen sich die Globalisierungskritiker richten. Nicht gegen die stärkere Verflechtung der Weltwirtschaft an sich.
Du lieber Himmel, das sind ja gleich mehrere Irrtümer auf einmal. Die Ursache für ein Abwandern der Textilienproduktion aus Deutschland soll nicht in der Globalisierung zu suchen sein? Also bitte. Natürlich sorgen strukturelle Veränderungen auf dem Weltmarkt dafür, dass Leute ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist doch vollkommen unvermeidlich. Und es wäre auch nicht schlimm - wenn denn zugleich neue Arbeitsplätze entstehen würden. Dabei allerdings hilft die allseits beschworene "Flexibilisierung der Arbeitsmärkte" (mit anderen Worten, die Senkung der Löhne und Abschaffung von Arbeitnehmerrechten) überhaupt nichts. Vielmehr würde es helfen, im Inland wie in Großbritannien den öffentlichen Dienst auszubauen (denn dessen Neueinstellungen unter Blair waren es hauptsächlich, was die Arbeitslosenzahlen in Großnbritannien sinken ließ) oder ordentlich Staatsaufträge an inländische Unternehmen zu vergeben (wie das in den USA als Konjunkturpolitik von je her geschieht). Mit anderen Worten, eine durchaus auch (auch.) mit keynesianischen Instrumenten ausgestattete Wirtschaftspolitik zu betreiben.
Schon wieder ein Missverständnis: Die Globalisierungskritiker sind nicht gegen eine WTO, sondern gegen diese. Wenn man nämlich die Welt in eine riesige Freihandelszone verwandeln will (und das ist das ultimative Ziel der WTO, dem sich die einzelnen Mitgliedsländer grundsätzlichauch zugetan zu fühlen behaupten), dann muss auch in allen Teilen des neuen, großen Wirtschaftsraumes der gleiche Satz an Spielregeln gelten. Dazu gehört beispielsweise: Keine Kinderarbeit, nicht mehr als 10 Stunden am Tag ackern, ordentliche Sozialversicherung in irgendeiner (nicht unbedingt deutschen) Form für alle, und so weiter. Marktwirtschaft muss reguliert werden, sonst optimiert sie am Zweck vorbei. Das aber kann nur funktionieren, wenn es in allen Teilen des Wirtschaftsraumes gleichermaßen geschieht. Eine solche Globalisierung würde jeder begrüßen. |
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